Ferdinand Freiherr von Richthofen
Deutscher Geograph und Geologe; studierte Geologie an der Universität von Breslau und in Berlin. Nach Forschungsarbeiten in Südtirol und Siebenbürgen, unternahm er von 1860 bis 1872 Reisen, die ihn nach ost- und Südostasien sowie nach Kalifornien führten. Von 1868 bis 1872 bereiste er China, wobei er seine Erkenntnisse und Eindrücke später in einem umfangreichen Werk veröffentlichte. Nach seiner Rückkehr aus dem Reich der Mitte war er von 1873 bis 1878 Präsident der Berliner Gesellschaft für Erdkunde, wurde 1875 Professor für Geologie in Bonn und später (1883) Professor für Erdkunde in Leipzig. 1886 wurde Richthofen nach Berlin berufen. Er baute die physikalische Geographie, besonders die Geomorphologie aus.
Werke u.a.: China, 5 Bde. und Atlas (1877/1912).
Stahnsdorf, Südwest-Friedhof
Deutscher Romanist; 1918 noch zum Wehrdienst eingezogen, studierte er nach der Entlassung aus der Armee Literaturwissenschaften mit Schwerpunkt Romanistik in München und Berlin. Nach einem Aufenthalt von 1922 bis 1926 in Spanien, war er seit 1931 Assistent am Romanischen Seminar der Universität Marburg, habilitierte 1932 und wurde dort Dozent. 1940 wiederum eingezogen, wurde er als Dolmetscher eingesetzt. 1942 wurde er wegen seiner Verbindung zur Roten Kapelle verhaftet und im Januar 1943 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde aufgrund von psychiatrischen Gutachten in Zuchthausstrafe abgeändert. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er zunächst an die Marburger Universität zurück und lehrte dort bis 1947, als er einen Ruf als Ordinarius an die Universität Leipzig erhielt. Ab 1958 war er Professor an der Berliner Akademie der Wissenschaften, bis er 1964 emeritiert wurde.
Berlin, Friedhof Dorotheenstädt. u. Friedrichswerdersche Gemeinde
Deutscher Zoologe und Naturphilosoph; führender Vertreter der Evolutionstheorie; erlangte internationale Bedeutung mit seinen Werken über die Evolutionstheorie, war der namhafteste Verfechter der Abstammungslehre Charles Darwins in Deutschland. Von der Kirche angefeindet, auch in wissenschaftlichen Kreisen scharfen Angriffen ausgesetzt, gewann Haeckel aber auch viele Anhänger: Jena wurde am Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Wallfahrtsort für Zoologen und Naturforscher. Sein Buch Die Welträtsel (1899), mit dem er seinen mechanistischen Monismus (aus einem Stoff oder aus einem Prinzip allein erklärend) begründete, wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Als Professor der Jenaer Universität machte er die Zoologie zum selbständigen Lehrfach und plante die Errichtung eines Museums für Abstammungslehre. Das Phyletische Museum, ein schönes Jugendstilgebäude, wurde 1908 mit Spenden gebaut, die Haeckel unter Freunden und Kollegen eingeworben hatte, die inhaltliche Gestaltung besorgte er selbst. Im Garten der Villa Medusa, in der er bis zu seinem Todes gewohnt hatte, befindet sich sein Grab.
Jena, Villa Medusa
Phyletische Museum
Bild: NASA
Deutscher Physiker und Schriftsteller; arbeitete, bevor er 1946 in die Vereinigten Staaten ging, von 1942 bis 1945 am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin; war in den USA bis 1952 zunächst an der Luftwaffenschule Randolph Field in Texas für Luftfahrtmedizin tätig. Von 1952 bis 1956 lehrte er als Professor für Astrophysik an der Universität Los Angeles; zusammen mit den Walt-Disney-Studios drehte er dort den populärwissenschaftlichen TV-Film Unser Freund, das Atom. Ab 1958 zeichnete er für wissenschaftliche Sendungen für das deutsche Fernsehen verantwortlich. Insgesamt produzierte er mit großen Erfolg mehr als 350 Fernsehbeiträge und verfaßte zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher. Als einer der ersten warnte er vor den Auswirkungen hemmungsloser Exploitation unseres “Blauen Planets”. 1964 gründete er die Wissenschaftszeitschrift Bild der Wissenschaft und war deren langjähriger Herausgeber.
Auszeichnungen u.a.: Adolf-Grimme-Preis, Goldene Kamera.
TV-Sendungen u.a.: Der blaue Planet, Lebendiges Weltall, Geschichten aus Raum und Zeit.
Hamburg-Blankenese, Friedhof
Johann Riiter von Lamont eigentl. John Lamont (seit 1867)
Deutscher Astronom schottischer Abstammung; kam nach dem Todes seines Vaters, eines Steuerbeamten des Grafen von Fife, im Jahre 1812 nach Regensburg, wo schottische Mönche seine Erziehung und Ausbildung übernahmen. Sie förderten seine rasch sichtbaren Fähigkeiten in den Naturwissenschaften, besonders der Mathematik, Physik und Astronomie. Nach der Promotion an der Universität von München wurde er 1835 Direktor der königlichen Sternwarte in Bogenhausen (heute zu München) und im folgenden Jahr Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. In den späten 1820er und 1830er Jahren gab es verstärkt Versuche, hinter die Geheimnisses des Magnetismus zu gelangen. Angeregt durch Alexander von Humboldt, der auf seinen Reise Messergebnisse gesammelt und mitgebracht hatte, und Karl Friedrich Gauß, der durch eine Vernetzung der Sternwarten Erkenntnisse gewinnen wollte, richtete Lamont im August 1840 ein geomagnetisches Observatorium an der Sternwarte ein und begann mit stündlichen Beobachtungen und Aufzeichnungen. Bald führte er Messungen auch in anderen deutschen und europäischen Ländern durch. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen wurde er in den Adelsstand erhoben, außerdem erhielten ein Mond- und ein Marskrater seinen Namen.
Lamont hinterließ eine beträchtliche Summe mit der Auflage, der Mesner solle immer in seine Grabmalshand Münzen legen, die die Bogenhausener Kinder stibitzen dürften.
Werke u.a.: Handbuch des Erdmagnetismus (1849), Handbuch des Magnetismus (1860), Astronomie und Erdmagnetismus (1848), Erdstrom und Zusammenhang desselben mit dem Erdmagnetismus (1862).
Inschrift Coelum et terram exploravit [Er hat den Himmel und die Erde erforscht].
Auszeichnnungen u.a.: Nordstern-Orden, Verdienstorden des Königreichs Schweden (1858), Verdienstorden der Bayerischen Krone (1867).
München, Bogenhausener Friedhof
Georg Friedrich Bernhard Riemann
Deutscher Mathematiker; studierte an den Universitäten Berlin und Göttingen (u.a. bei Karl Friedrich Gauß und Wilhelm Weber), wo er ab 1859 bis zu seinem Tode Professor war, zählt mit seinen Beiträgen v.a. zur Analysis, Funktionentheorie und Topologie, analytischen Zahlentheorie und mathematischen Physik zu den bedeutendsten Mathematikern des 19. Jahrhunderts. Seine Beiträge zur Geometrie sind für die Darstellungen von Problemen der Elektrizität und des Magnetismus im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie von Relevanz.
Werke u.a.: Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Funktionen einer veränderlichen komplexen Größe (1851).
Verbania, OT Biganzolo (Lago Maggiore)
Deutscher Volkswirtschaftler und Politiker; Sohn eines wohlhabenden Gerbermeisters; ging nach der vorzeitigen Beendigung der Lateinschule in Reutlingen im Alter von 14 Jahren zunächst in die Lehre bei seinem Vater; die er ebenfalls abbrach. Er wechselte 1805 in den Verwaltungsdienst, bildete sich autodidaktisch weiter und stieg zum Steuer- und Güterbuchcommissär auf. Nachdem er ins Oberamt Tübingen versetzt worden war, belegte er 1811 an der dortigen Universität neben seiner Aktuarsausbildung Kurse in den Disziplinen Kameralwesen, Zivilprozeß- und Staatsrecht, erwarb jedoch keinen Abschluß. 1815/16 veröffentlichte List seine erste politische Schrift unter dem Titel Kampf um Reformen bei Erstellung einer württembergischen Verfassung. Außerdem war er Herausgeber der Zeitschrift Württembergisches Archiv . 1817 wurde er Professor für Staatswirtschaft an der Universität Tübingen. Er geriet jedoch als Gründer des Deutschen Handels- und Gewerbevereins und Verfechter der zollpolitischen Einigung Deutschlands in Gegensatz zur württembergischen Regierung und verlor bereits zwei Jahre später seine Professur. Außerdem wurde er 1821 wegen seines radikalen Auftretens als Abgeordneter der württembergischen Kammer 1822 zu zehn Monaten Festungshaft verurteilt. Nachdem er sich zunächst der Vollstreckung des Urteils durch Flucht entzogen hatte - er hielt sich u.a. in Baden, Frankreich und in der Schweiz auf, um sich dort eine Existenz aufzubauen, was nicht gelang - stellte er sich 1824 und wurde auf der Festung Hohenasperg festgesetzt, dann aber nach dem Versprechen, in die Vereinigten Staaten auszuwandern, freigelassen. 1832 kehrte er als US-amerikanischer Konsul nach Deutschland zurück, wurde zum Vorkämpfer des deutschen Eisenbahnbaus und zum Propagandisten des Deutschen Zollvereins. Er befürwortete Schutzzölle als Übergangsmaßnahme für die industrielle Entwicklung Deutschlands. In seinem wirtschaftstheoretischen Hauptwerk Das nationale System der politischen Ökonomie (1841, unvollendet) setzte er der von Adam Smith begründeten klassischen Lehre vom Freihandel eine an der wirtschaftlichen Praxis ausgerichtete ”Theorie der produktiven Kräfte" entgegen und wurde so zum Vorläufer der historischen Schule der Nationalökonomie. Die Gedanken Lists führt die 1925 gegründete List-Gesellschaft e.V. (bis 1934 Friedrich-List-Gesellschaft) weiter. Friedrich List schied freiwillig aus dem Leben.
Werke u.a.: Das natürliche System der politischen Ökonomie (1841).
Kufstein, Stadtfriedhof, Alter Teil
Charles Alexis Henri Maurice Clérel de Tocqueville
Französischer Historiker und Politiker; studierte ab 1823 am Collège Royal in Metz Philosophie und Rhetorik, bevor er nach Paris ging und dort Rechtswissenschaften studierte und 1826 Untersuchungsrichter in Versailles wurde.. 1831 reiste er mit dem französischen Publizisten Gustave Auguste de Beaumont de la Bonninière in die Vereinigten Staaten, um das dortige Strafrechtssystem kennenzulernen. Dort erkannte er die Demokratie als die dem zivilisierten Gemeinwesen adäquate Organisation. Über die gewonnenen Erkenntnisse berichteten sie in der Schrift Du système pénitentiaire aux États-Unis et son application en France (1832, dt. Amerikas Besserungssystem und seine Anwendung auf Europa). Sein Werk De la démocratie en Amérique (2 Bde., 1835-40, dt Über die Demokratie in Amerika), das er 1832 nach seiner Rückkehr aus den USA verfaßte, stellt eines der ersten und umfassendsten Studien über die Vereinigten Staaten dar; es befaßt sich nicht nur mit der politischen Seite der jungen Nation, sondern beschreibt auch die Gewohnheiten, die Sitten und das Leben ders amerikanischen Volkes. Er stellte jedoch nicht nur positive Aspekte dar, sondern kritisierte z.B. daß die öffentliche Meinung zur Tyrannei tendiere und die Mehrheitsregierung genauso repressiv sein könne wie die Herrschaft eines Despoten. Von 1839 bis 1848 war er Mitglied der französischen Deputiertenkammer, und 1848 in der Verfassungskommission der Nationalversammlung unterstützte er eine Reihe von Reformen, u.a. die Dezentralisierung der Regierung und als besonders wichtig die Garantie der Unabhängigkeit der Justiz. 1849 wurde er Vizepräsident der Nationalversammlung und war im selben Jahr kurzzeitig Außenminister. Nachdem er 1851 den Staatsstreich Louis Napoleon Bonapartes, der später als Napoléon III. Kaiser der Franzosen wurde, scharf kritisiert hatte, zog sich Tocqueville aus dem öffentlichen Leben zurück. Seine Schriften beeinflussten den Liberalismus des 20. Jahrhunderts. Tocqueville gilt als Begründer der vergleichenden Politikwissenschaft.
Statue vor dem Friedhofseingang
Werke u.a.: L'Ancien Régime et la Révolution (1856, dt. Der alte Staat und die Revolution), Souvenirs (1893, posthum veröffentlicht, Erinnerungen).
Tocqueville (Dép. Manche), An der Kirche
Marie-Sophie Germain (Pseudonym Leblanc)
Französische Mathematikerin; Tochter eines wohlhabenden Seidenhändlers; sie war 13 Jahre alt, als die Bastille in Paris erstürmt wurde und die turbulenten Ereignisse während der Französischen Revolution sie zu einem eingeschränkten Leben innerhalb des Hauses ihrer Eltern zwangen. So begann sie, um sich zu beschäftigen, die Bibliothek ihres Vaterszu durchstöbern und stieß dabei auf J.E. Montuclas Werk L'Histoire des Mathématiques, das sie in seinen Bann zog. Gegen den anfänglichen Widerstand ihrer Elternbeschäftigte sie sich immer intensiver mit der Mathematik und las die Werke Sir Isaac Newtons und Leonhard Eulers. Als 1794 die École Polytechnique gegründet wurde, durfte sie sich wegen ihres Geschlechts dort zwar nicht einschreiben, aber sie besorgte sich zahlreiche Protokolle der Vorlesungen und Kurse, so daß es ihr möglich war, sich mit dem Denken der damaligen berühmten Mathematiker vertraut zu machen. Eine Karriere als Mathematikerin war ihr verschlossen, aber sie begann mit berühmten Mathematikern wie den französischer Mathematikern und Astronomen Joseph Louis de Lagrange und Adrien-Marie Legendre sowie dem deutscher Mathematiker, Astronom und Physiker Carl Friedrich Gauß zu korrespondieren. Sie beschäftigte sich mit Fragen der Akustik, Elastizität und Zahlentheorie und legte 1805 einen (unvollständigen) Beweis der fermatschen Vermutung vor - daß nämlich der Fermatsche Satz für eine Gruppe von Primzahlen (Sophie-Germain-Primzahlen) zutrifft.
Als eine der Pioniere der Elastizitätstheorie gewann sie den Hauptpreis der Académie des sciences für ihren Aufsatz über dieses Thema. In Anerkennung ihres Beitrag zur Weiterentwicklung der Mathematik wurde sie sechs Jahre nach ihrem Tode mit einer Ehrendoktorwürde durch die Universität Göttingen ausgezeichnet, und jährlich wird auf Vorschlag der Académie des sciences vom Institut de France der Prix Sophie Germain verliehen.
Paris, Cimetière du Père Lachaise
Omnibus salutem!