Paul Walden (lettisch Pauls Valdens, russ. Павел Иванович Вальден)
Russisch-Lettisch-Deutscher Chemiker und Wissenschaftshistoriker; dreizehntes Kind einer lettischen Bauernfamilie; im Alter von vier Jahren Halbweise, wurde er mit zehn Jahren von seiner Mutter in die Obhut des Lehrers Erdmanis Rubens gegeben. Er besuchte .Schulen in Cēsis und Riga, wo er nach dem Abitur am Rigaer Polytechnikum (heute: Technische Universität Riga) Student bei Professor Wilhelm Ostwald war und 1889 seinen Abschluß als Diplom-Ingenieur in Chemie machte. Danach setzte er seine Studien in Physik und Chemie in Leipzig und München fort. In Leipzig hörte er neben Ostwald bei Johannes Wislicenus und Gustav Wiedemann und in München war er 1893 bei Adolf von Baeyer. 1891 wurde er in Leipzig bei Wilhelm Ostwald summa cum laude zum Dr. phil. mit seiner Arbeit “Über die Affinitätsgrößen einiger organischer Säuren und ihre Beziehung zur Konstitution derselben” promoviert. Anschließend hielt er sich in München und in Odessa zu weiteren Forschungen auf, bevor er 1899 an der Universität St. Petersburg mit der Arbeit “Materialien zur Stereochemie“ habilitierte. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit lernte er u.a. die deutschen Chemiker Johannes Wislicenus und Emil Fischer, sowie die russischen Kollegen Friedrich Konrad Beilstein, Nikolaj Alexandrowitsch Menschutkin und Dmitrij Iwanowitsch Mendelejew kennen. 1901 wurde er Rektor des Polytechnikums Riga und ab 1910 Nachfolger von Beilstein und Leiter des Chemischen Labors der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, bevor er aufgrund der durch die Oktoberrevolution ausgelösten politischen Veränderung in Rußland das Land verließ und konnte noch im selben Jahr den Lehrstuhl für Chemie an der Universität Rostock übernehmen. Nach seiner Emeritierung im Jahre 1934 wandte er sich verstärkt der Geschichte der Chemie zu. 1936 wurde er Vorsitzender der Fachgruppe Geschichte der Chemie beim Verein Deutscher Chemiker Im Zweiten Weltkrieg verlor Walden bei den schweren Bombenangriffen der Royal Air Force auf die Hansestadt im April 1942 sein Haus und all sein Habe, worauf er nach Frankfurt am Main übersiedelte. wo er ebenfalls ausgebombt wurde. Nach dem ende des Krieges nahm Walden 1945 eine Gastprofessor für Geschichte der Chemie in Tübingen an, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, da seine Rostocker Pension nicht bezahlt wurde. 1946 ließ er sich im südlich von Tübingen gelegenen Gammertingen (Ldkrs. Sigmaringen, Baden-Württemberg) nieder und wurde zum Gastprofessor an der Universität Tübingen ernannt, wo er das Fachgebiet “Geschichte der Chemie“ bis zur Vollendung seines 90. Geburtstags in Forschung und Lehre vertrat.
Tübingen, Bergfriedhof
US-amerikanischer Physiker deutscher Herkunft; ältestes von vier Kindern des wohlhabenden Mühleneigentümers und Getreidehändlers Oscar Stern und dessen aus Rawitsch in Posen stammenden Frau Eugenie, née Rosenthal, der seit 1892 in Breslau lebte. Dort besuchte er das gemischt-konfessionelle Johannesgymnasium und begann 1906 nach dem Abitur das Studium der Mathematik und Naturwissenschaften u.a. bei Alfred Sommerfeld in München, in Freiburg im Breisgau und an der Universität Breslau; dort hörte er Experimentalphysik bei Otto Lummer und Ernst Pringsheim. 1912 wurde er an der Universität Breslau in physikalischer Chemie bei Otto Sackur mit einer Dissertation Über den osmotischen Druck von Kohlendioxid in konzentrierten Lösungen promoviert. 1912 folgte er Albert Einstein, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird, nach Prag, der dort seit 1911 an der Karls-Universität als Dozent für theoretische Physik lehrte und folgte diesem 1913 an die Eidgenössische Technische Hochschule nach Zürich, wo er sich 1913 in physikalischer Chemie habilitierte und wo er in Kontakt mit Paul Ehrenfest und Max von Laue kam, der ihn 1914 nach Frankfurt am Main an die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität holte. Dort entwickelte Stern die Molekularstrahlmethode, die es erstmals ermöglichte, Messungen an einzelnen Atomen durchzuführen und ihre Quanteneigenschaften zu bestimmen. 1915 habilitierte er sich für theoretische Physik um und wirkte dort als Privatdozent für theoretische Physik bis 1921, nur unterbrochen vom Wehrdienst im Ersten Weltkrieg; er meldete sich bei Ausbruch des Weltkrieges freiwillig zum Militär und diente an der Front im Osten - zunächst im Rang eines Gefreiten, dann als Unteroffizier in technischer Verwendung, wobei Max Born sich dafür verwandte, daß Stern einer Forschungsabteilung der Universität Berlin zugeteilt wurde, 1919 erhielt er den Professorentitel und war Assistent von Max Born in Frankfurt am Main. 1921 bestimmte Stern, der sich in dieser Zeit von der theoretischen Physik der Experimentalphysik zugewandt hatte, gemeinsam mit dem in Biebrich (heute Wiesbaden-Biebrich) geborenen Physiker Walther Gerlach die Richtungsquantelung des Elektronenspins und die Größe des mit dem Spin verknüpften magnetischen Moments des Elektrons durch Ablenkung und Aufspaltung eines Strahls von Silberatomen in einem inhomogenen Magnetfeld - bekannt geworden als Stern-Gerlach-Versuch - einer der experimentellen Meilensteine bei der Entwicklung der Quantentheorie. Im selben Jahr erhielt er einen Ruf auf ein Extraordinariat für theoretische Physik an der Universität Rostock, dem er wegen des Antisemitismus an der Universität in Frankfurt am Main1 folgte. Rostock verließ er 1922, als er einen Ruf an das neugegründete Institut für physikalische Chemie der Universität Hamburg als Ordinarius und Direktor erhielt. Dort begann eine enge, andauernde Freundschaft mit seinen Kollegen, dem Astronomen Walter Baade, dem Mathematiker Erich Hecke und dem späteren Physiker Wolfgang Pauli
1933 verließ er wegen des zunehmenden Antisemitismus Deutschland und ließ sich dauerhaft in den Vereinigten Staaten nieder, wo er 1939 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb. Von 1933 bis zur Emeritierung im Jahre 1945 war Otto Stern Forschungsprofessor der Physik am Carnegie Institute of Technology in Pittsburgh. In Kalifornien setzte er sich im darauf folgenden Jahr zur Ruhe.
Für seine “Entdeckung des magnetischen Moments des Protons“ wurde Otto Stern 1943 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.
Erinnerungstafel am Haus des Physikalischen Vereins in Frankfurt am Main
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1 Ein Grund für den Wechsel war Antisemitismus in Frankfurt (der Physiker und Universitätsrektor Richard Wachsmuth wollte ihm aus diesem Grund keine etatmäßige Professur geben)
El Cerrito (Contra Costa County, Kalifornien), Sunset View Cemetery
Deutscher Astrophysiker; Sohn von Johann Karl Christoph Vogel, dem Direktor der vereinigten Bürgerschulen und Begründer der Realschule in Leipzig; Bruder des Afrikareisenden Eduard Vogel; immatrikulierte sich 1862 zunächst am Polytechnikum in Dresden, wechselte aber ein Jahr später an die Universität Leipzig, wo er Assistent von Karl Christian. 1862 begann er sein Studium am Polytechnikum in Dresden und wechselte 1863 an die Universität Leipzig. In Leipzig war er Assistent von Karl Christian Bruhns war und an den Doppelsternmessungen von Friedrich Wilhelm Rudolf Engelmann. mitwirkte. 1870 promovierte er in Jena mit einer Arbeit zu Nebelflecken und Sternhaufen und ging im selben Jahr an die Sternwarte Bothkamp des Kammerherrn Friedrich Gustav von Bülow, ca. 20 km südlich von Kiel. Hier nahm er erste Spektraluntersuchungen an Himmelskörpern vor; sein Assistent wurde Wilhelm Oswald Lohse. So konnte Vogel, der von 1882 bis 1907 Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam war, am zweithellsten Stern im Sternbild des Perseus, dem Algol, aus Verschiebungen der Fraunhoferschen Linien in dessen Spektrum nachzuweisen, daß dieser einen dunklen Begleiter hat und daß sich beide um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen; außerdem führte er erste Radialgeschwindigkeitsbestimmungen durch.
Hermann Carl Vogel war Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften, u.a. der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, der Preußischen Akademie der Wissenschaften, der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Auszeichnungen u.a:. Goldmedaille der Royal Astronomical Society (1893), Pour le mérite für Wissenschaft und Künste (1895),
Potsdam, Einsteinpark (hinter dem großen Refraktor)
Hermann Franz Joseph Hubertus Maria Anschütz-Kaempfe
Deutscher Wissenschaftler; Sohn des Münchener Mathematik- und Physiklehrers Friedrich Wilhelm Anschütz (*1842) und dessen aus einer Fabrikantenfamilie in Zweibrücken entstammenden Ehefrau Maria Johanna, née Schuler; Enkel des Kunstmaler und Professor Hermann Franz Anschütz. Nachdem sein Vater 1897 verstorben war, wurde er von dem österreichischen Kunsthistoriker Kaempfe adoptiert. Er studierte in Innsbruck zunächst Medizin, wechselte dann jedoch zum Studium der Kunstgeschichte und promovierte in diesem Fach zum Dr. phil.. Anschließend unternahm er einige Reisen ins Mittelmeergebiet und in die Arktis. Zurückgekehrt von seinen Reisen ließ er sich in Wien nieder. Er begann, sich sich als Erfinder zu betätigen, nachdem ihn der österreichische Polarforscher Julius von Payer auf die Idee gebracht hatte, den Nordpol mit einem U-Boot zu unterqueren und feststellte, daß dieser Plan aufgrund der damaligen Navigationstechnik nicht zu bewerkstelligen wäre. Er machte wichtige technische Erfindungen und konstruierte - bereits 1902 als Model - 1907 den ersten Einkreiselkompass, der erstmals 1908 auf dem deutschen Linienschiff SMS Deutschland zur Anwendung kam. 1912 entwickelte er den Mehrkreiselkompass , der zuverlässiger arbeitete und auf dem deutschen Schlachtkreuzer Moltke erprobt wurde (Bereits 1904 erhielt Hermann Anschütz-Kaempfe ein Patent auf das technische Prinzip eines Kreiselkompasses). Im Jahr 1913 erfolgte der erste Einsatz auf einem Handelsschiff, auf dem am 24. Mai in Dienst gestellten deutschen Passagierschiff Imperator. 1915 gewann er einen Patentstreit zum Kreiselkompass gegen Elmer Ambrose Sperry, bei dem er Albert Einstein kennenlernte, als dieser 1914 als Gutachter hinzugezogen worden war. Es folgte eine langjährige Freundschaft mit Einstein, die dazu führte, daß letzterer viele Berechnungen für den Kreiselkompass für Anschütz-Kaempfe durchführte und ihn viele Jahre lang in den Sommerferien in Kiel besuchte. Es gelang Anschütz fast, Einstein einen Lehrstuhl an der Kieler Christian-Albrechts-Universität zu vermitteln, was letztlich zu Beginn der 1930er Jahre an der dortigen antisemitischen Professorenschaft scheiterte.
Hermann Anschütz-Kaempfe (links) mit Albert Einstein (1914)
Den nach ihm benannten Anschütz-Zweikreisel-Kugelkompass entwickelte Anschütz-Kaempfe 1927. Dieser Kompass diente als Grundlage der heutigen Kreiselkompassanlagen. Der Dreikreisel-Kompass geht auf die Zusammenarbeit mit seinem Vetter Maximilian Schuler zurück.
München, Waldfriedhof (Alter Teil)
US-amerikanische Astronomin; Tochter des Pfarrers der kongregationalistische Kirche, George Roswell Leavit, und dessen Frau Henrietta Swan, née Kendrick; besuchte das Oberlin College, bevor sie zur Society for the Collegiate Instruction of Women (später Radcliffe College) der Harvard University wechselte und 1892 einen Bachelor-Abschluß erhielt. In Oberlin und Harvard studierte belegte sie Latein und klassisches Griechisch, Bildende Kunst, Philosophie, analytische Geometrie und Analysis. Erst in ihrem vierten Jahr am College belegte Leavitt einen Kurs in Astronomie, in dem sie ein A-degree erwarb. Leavitt begann auch als eine der weiblichen “Rechnerinnen” am Harvard College Observatory zu arbeiten und wurde von seinem Direktor Edward Charles Pickering angeheuert, um die Helligkeit von Sternen zu messen und zu katalogisieren, wie sie in der Photoplattensammlung des Observatoriums erschienen.
1895 bekam sie am Harvard College Observatory zunächst eine Volontärstelle, bevor sie sieben Jahre später ihr eine Festanstellung erhielt und dort veränderliche Sterne beobachtete und katalogisierte, wobei sie allein 1904 172 veränderliche Sterne in der großen und 59 in der kleinen Magellanschen Wolke entdeckte und katalogisierte. Allerdings mußte sie ihre Beobachtungen auf die Auswertung von Photographien beschränken, da den Frauen der Gebrauch des Teleskops noch verboten war. Ein Jahr darauf berichtete sie von 843 neuen veränderlichen Sternen in der kleinen Magellanschen Wolke. 1912 entdeckte Leavitt die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung beim Sterntypus der Cepheiden1, das heißt den Zusammenhang zwischen der absoluten Helligkeit dieser pulsierenden Sterne und der Periode ihrer Helligkeitsschwankung.
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1 Gruppe der pulsationsveränderlichen Sterne, bei denen die Schwankungen in der Helligkeit streng periodisch erfolgen..
Cambridge (Massachusetts), Cambridge Cemetery
Deutscher Gynäkologe; Sohn des Medizinprofessors Ludwig Warnekros: studierte an der Berliner Universität von 1902 bis 1907 Medizin in Würzburg und Berlin. 1908 erhielt er die ärztliche Approbation. 1918 erfolgte seine Ernennung zum Professor, 1924 übernahm er kommissarisch die Leitung der Frauenklinik der Universität. Neben der Tätigkeit als Frauenarzt und Geburtshelfer arbeitete Warnekros gemeinsam mit seiner Schwester, einer ausgebildeten Röntgenassistentin, auch wissenschaftlich auf dem Gebiet der Röntgenstrahlung, machte Röntgenaufnahmen von Babys im Mutterleib, die er in dem vielbeachteten Buch Geburt und Nachgeburtsperiode im Röntgenbilde heraus.
Warnekros war langjähriger Leiter der Frauenklinik in Dresden und führte 1930 eine der ersten Geschlechtsangleichenden Operationen (GA-OP) durch. 1930, nachdem er von einer Reise aus Paris zurückgekommen war, wurde Lili Elbe, als intersexueller Mensch unter dem Namen Einar Mogens Andreas Wegener geboren, seine Patientin, an der er eine Reihe von plastischen Operationen an dessen Geschlechtsorgan durchführte, nachdem ihm zuvor am Institut für Sexualforschung von Magnus Hirschfeld die Hoden entfernt worden waren. Lili starb schließlich nach der letzten, der fünften Operation, als ihr Körper die transplantierte Gebärmutter abstieß1.
1933 wurde Warnekros NSDAP-Mitglied. Dennoch wurden gegen ihn 1936 Ermittlungen als ”Judengünstling“ – er hatte vor 1933 auch Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild, Tochter des deutschen Industriellen Fritz von Friedlaender-Fuld und Angehörige der bekannten Familie Rothschild, behandelt, ebenso nahm er auch weiterhin jüdische Patientinnen an – eingeleitet, der die Frauenklinik nicht hinreichend im Sinne des Nationalsozialismus leiten würde. Da er auch die Frau des sächsischen NSDAP-Gauleiters Martin Mutschmann behandelte, wurden die Ermittlungen bald wieder eingestellt. Bis 1944 behandelte er auch weiterhin jüdische Patientinnen. Daneben wurden allerdings auch unter Warnekros an der Frauenklinik in Johannstadt Zwangssterilisationen durchgeführt. 1944 half Warnekros wiederum Eva Olbricht, der Frau von Friedrich Olbricht, einem der Mitverschwörer des Attentats vom 20. Juli 1944, auf ihrer Flucht vor der Sippenhaft der Nazis.
Die Luftangriffe auf Dresden am 13. und 14.2.1945 zerstörten auch die Frauenklinik, wobei viele seiner Patientinnen ums Leben kamen; für die überlebenden Frauen sorgte er einen Evakuierung nach Kreischa. Bis 1948 behielt Warnekros die Leitung der Frauenklinik, operierte aber zuletzt aus Krankheitsgründen nicht mehr selber. Kurz vor seinem Tod zog er auf Einladung der Baronin von Goldschmidt-Rothschild nach Paris.
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1 In der halbbiographischen Erzählung von 1933 über Elbes Leben Man Into Woman wird Warnekros durch die Figur Werner Kreutz dargestellt: In der US-amerikanisch-britischen Filmbiographie The Danish Girl aus dem Jahre 2015 wird er Sebastian Koch verkörpert, Lili Elbe durch Eddie Redmayne.
Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedhof Grunewald
Hinweis: Kurt Warnekros wurde zunächst auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt. 1954 wurde seine Urne in das Familiengrab auf dem Friedhof Grunewald überführt.
Gustaaf (Gustav/Gustave) Schlegel
Niederländischer Sinologe und Naturforscher; Sohn des Zoologen Hermann Schlegel, der 1867 aus dem thüringischen Altenburg nach Holland zog, um am Rijksmuseum van Natuurlijke Historie (Naturhistorischen Museum) in Leiden als Assistent des Direktors Coenraad Jacob Temminck zu arbeiten und nach dessen Tode 1858 als dessen Nachfolger das Museum leitete. Ohne, daß Herrmann Schlegel und seine Frau davon eine Ahnung hatten, begann der 9-jährige Gustav bei dem deutschen Philologen Johann Joseph Hoffmann, einem namhaften Kenner der chinesischen und japanischen Sprache, Chinesisch zu lernen. 1854 erhielt er auf dessen Initiative ein Stipendium mit der Auflage, später in den Staatsdienst einzutreten. 1857 reiste er auf Veranlassung seines Vaters nach China, um dort Exemplare von dort lebenden Vögeln zu sammeln; diese Tätigkeit war allerdings von wenig Erfolg gekrönt, da der Brite Robert Swinhoe vor Schlegel bereits umfangreiche Feldarbeit geleistet hatte und als Experte galt. Nachdem er den Fuzhou-Dialekt gelernt hatte, zog er 1861 nach Kanton, um Kantonesisch zu lernen. 1862 erhielt er eine Anstellung als Dolmetscher am Obersten Gerichtshof der Kolonialregierung von Batavia (heute Jakarta). 1869 promovierte er an der Universität Jena, mit einer Dissertation über die Bräuche und Freizeitbeschäftigungen der Chinesen. 1872 kehrte er aus gesundheitlichen Gründen nach Europa zurück, wurde 1875 zum Professor ernannt und 1877 zum Professor und Inhaber eines für ihn eingerichteten Lehrstuhls für Chinesisch an der Universität Leiden.
Zu seinen zahlreichen sinologischen Werken zählen vor allem Uranographie chinoise (1875) und das monumentale niederländisch-chinesische Wörterbuch Nederlandsch-chineesch woordenboek (4 Tle.,1884–91). Zusammen mit Henri Cordier gründete und redigierte er die für die Sinologie zentrale Zeitschrift T'oung Pao (1890-).
Leiden, Begraafsplaats Groenesteeg
ca. 1920
Deutscher theoretischer Physiker; Sohn des Malers Ernst Pasqual Jordan; begann nach dem Abitur am Bismarck-Realreformgymnasium in Hannover ab 1921 ein Studium der Mathematik, Physik und Zoologie an der Technischen Hochschule Hannover und ab 1923 an der Universität Göttingen, wo er 1924 bei Max Born promoviert wurde. Anschließend arbeitete er mit Born, damals Direktor der Abteilung für Theoretische Physik, und mit dessen Assistenten Werner Heisenberg zusammen. Ihre bahnbrechenden Ergebnisse veröffentlichten die drei Forscher 1925 in zwei Aufsätzen unter dem Titel Zur Quantenmechanik. Nach seiner Habilitation im Jahre 1926 zum Thema Zur Theorie der Quantenstrahlung wurde er im folgenden Jahr zunächst Privatdozent in Hamburg und erhielt dann 1929 eine außerordentliche Professur an der Universität Rostock. 1935 wurde er dort auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik berufen.
Maßgebend an der Entwicklung der Quantenmechanik beteiligt, wandte Jordan diese auch auf biophysikalische Fragen an, außerdem arbeitete er über Quantenelektrodynamik, allgemeine Relativitätstheorie, Astrophysik und Kosmologie.
Werke u.a.: Anschauliche Quantentheorie: eine Einführung in die moderne Auffassung der Quantenerscheinungen (1936), Die Herkunft der Sterne (1947), Die Physik des 20. Jahrhunderts (1949), Schwerkraft und Weltall: Grundlagen der theoretischen Kosmologie (1952), Wie sieht die Welt von morgen aus? (1958), Schöpfung und Geheimnis. Antworten aus naturwissenschaftlicher Sicht, (1970), Die weltanschauliche Bedeutung der modernen Physik (1971)
Hamburg, Friedhof Ohlsdorf
Deutscher Physiker; Sohn des Schiffbau-Ingenieurs Eugen Robert Pohl und dessen Frau Martha, née Lange; trat nach dem Besuch der Schule seines späteren Schwiegervaters 1895 in die Gelehrtenschule des Johanneums ein, die er 1903 das Abitur ablegt und begann im Sommersemester 1903 in Heidelberg Naturwissenschaften zu studieren. Dort lernte er auch James Franck kennen, mit dem ihn bis zu dessen Tod im Jahr 1964 eine enge Freundschaft verband. Zum Wintersemester 1903 ging er an die Universität Berlin, um Physik zu studieren. Schon im Sommersemester 1904 arbeitete er im Physikalischen Institut bei Emil Warburg an dem Thema, das seine Doktorarbeit wurde. Dort entstand auch seine erste Veröffentlichung angeregt durch Bernhard Walter vom Hamburger Physikalischen Staatslaboratorium, bei dem er im Folgenden in den Ferien arbeitete, vor allem bei der Suche nach der Beugung von Röntgenstrahlen.
Pohl war von 1916 bis 1952 Professor in Göttingen, arbeitete über Röntgenstrahlen und den Photoeffekt, schuf Grundlagen für die moderne Festkörperphysik; setzte mit seinen Lehrbüchern der Experimentalphysik neue Maßstäbe. bekannt wurde er für seine Experimentalphysik-Vorlesung, die auch als Lehrbuch erschien, und als Pionier der Festkörperphysik. Nevill Francis Mott nannte ihn den “wahren Vater der Festkörperphysik“.
Göttingen, Stadtfriedhof
1946, als Experte während des Tribunals gegen die Ärzte
Deutscher Internist; viertes von sieben Kindern des Professors der Chemie, Jacob Volhard und dessen Frau Josephine, née Backofen, Tochter des Hofmalers Franz Backofen; Enkel Justus von Liebigs und Großvater der Biologin, Biochemikerin und Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard (*1942); einer seiner Urenkel ist der 2021 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnete Chemiker Benjamin List: Volhard besuchte nach der Volksschule in Erlangen ab 1882 das Gymnasium der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale, dann das humanistische Gymnasium Schulpforta, wo er 1892 die Reifeprüfung erfolgreich ablegte. Anschließend studierte er zwei Jahre in Bonn Medizin, wo er 1894 das Physikum bestand. Nach Ableistung des Militärdienstes in Halle als Einjährig-Freiwilliger setzte er das Medizinstudium in Straßburg, das seinerzeit zum Deutschen reich gehörte, fort Danach bereitete er seine tierexperimentelle Dissertation zur Eklampsie (ungeklärtes Auftreten generalisierter Krampfanfälle in der Schwangerschaft) bei Professor Joseph von Mering vor, der gemeinsam mit Emil Fischer 1902 das Schlafmittel Barbital entwickelte, das 1903 unter dem Handelsnamen Veronal als erstes Barbiturat eingeführt wurde. 1897 schloß Volhard das Medizinstudium an der Universität Halle cum laude ab und wurde zum Doktor der Medizin promoviert. Es folgten Aufenthalte in Kiel, in Berlin und in Gießen, wo er sich mit einer Arbeit über fettspaltende Magenfermente habilitierte. Kurzzeitig leitete er die Medizinische Klinik in Halle, bevor er von 1905 bis 1908 Chefarzt der Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses Dortmund war und von 1908 bis 1918 die Direktion der Städtischen Krankenanstalten in Mannheim innehielt. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 wurde Volhard kurzzeitig als Marinearzt nach Kiel eingezogen, konnte aber bald nach Mannheim in die Klinik zurückkehren, wo er u.a. ein spezielles “Nierenlazarett“ einrichtete. Seinen Vorschlag einer ”Hunger- und Dursttherapie“ der „Kriegsnephritis“ (akute diffuse Glomerulonephritis) anläßlich der Nahrungsmittelknappheit während des Ersten Weltkrieges trug er 1916 auf einer außerordentlichen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im deutsch besetzten Warschau vor. 1917 schloß Volhard sich als der konsevbativen Deutschen Vaterlandspartei (DVLP) an, die zum Ende des Krieges den Grundstein für den Nachkriegsdiskurs über die “Novemberverbrecher“ und den “Dolchstoßlegende” legte. 1918 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor für Innere Medizin und Direktor der Medizinischen Klinik an die Universität Halle. Nachdem er mehrere rufe abgelehnt hatte , nahm er den an die Universität Frankfurt am Main an. Am 1.3.1927 wurde er Direktor der dortigen Medizinischen Klinik. Hier vollendete er seine zweibändige “Nierenbibel“, die 1931 als Band VI des Handbuchs der Medizin erschien.
Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 die “Macht” ergriffen, war er Dekan an der Frankfurter Universität und wurde Mitglied verschiedener NS-Organisationen, wie der SA-Reserve, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und war zusätzlich Förderndes Mitglied der SS. Eine Mitgliedschaft in der NSDAP wurde abgelehnt, da er einer Freimaurerloge angehört hatte. 1933 setzte Volhard sich als Dekan mehrfach für jüdische Fakultätsmitglieder ein, deren Entlassung er jedoch nicht verhindern konnte. Am 9. November wurde er von dem Chirurgen und Nationalsozialisten Hans Holfelder als Dekan abgelöst. Wegen seiner aus sicht der Machthaber zurückhaltenden Haltung gegenüber des Nationalsozilismus wurde er zum 1.10.1938 er gegen seinen Willen emeritiert. 1945 wurde Volhard von der US-Militärregierung und 1948 vom hessischen Kultusministerium unter Erwin Stein (CDU) als Klinikdirektor und Ordinarius wiedereingesetzt.
Volhard leistete wesentliche Beiträge zur Pathogenese und Systematik der Nierenkrankheiten und gilt als Nestor der Nephrologie.
Verheiratet war Franz Volhard seit 1899 mit Else Toennies (†.1949) Das Paar hatte sechs Söhne und vier Töchter.
Volhard verunglückte auf der Fahrt zum Schweizer Internistenkongress am Steuer seines Wagens; seine Beifahrerin und Sekretärin starb am Unfallort, er selbst zwanzig Tage später.
Frankfurt am Main, Hauptfriedhof
Omnibus salutem!