Karl Renner

Österreichischer Politiker (SDAPÖ, SPÖ), Bundeskanzler und Bundespräsident; in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, studierte er von 1890 bis 1896 Jus an der Universität Wien, war Bibliothekar in der Bibliothek des Reichsrates, 1907 Reichsratsabgeordneter und schon vor dem Ersten Weltkrieg einer der Führer der Sozialdemokraten in Österreich. Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie wurde er 1918 Staatssekretär der neugegründeten Republik Österreich und unterzeichnete als solcher am 10.9.1919 den Vertrag von Saint-Germain-en-Laye (Friedensvertrag zwischen der Entente und Österreich). 1920 schied er als Staatskanzler aus der Regierung aus. Zwischen 1920 und 1934 war Renner Mitglied und von 1930 bis 1933 Präsident des Nationalrates und wurde 1934 unter der Regierung Dollfuß vorübergehend inhaftiert. Zunächst trat er für einen Anschluß Österreichs an das deutsche Reich ein, distanzierte sich jedoch später von dieser Meinung. Während des Zweiten Weltkriegs ohne Amt in seiner Villa in Wien unbehelligt lebend, bildete Renner am 27.4.1945 mit Zustimmung der sowjetischen Besatzungsmacht eine provisorische Regierung. Vom 1945 bis zu seinem Tode war er Bundespräsident der Republik Österreich.

Zurück zur Personenliste           

Bild: Peter Malaschitz
Bild: Dr. Lischke

Friedrich Theodor Althoff

                        

Preußischer Kulturpolitiker; studierte Jura in Berlin und Bonn. Als Geheimer Regierungsrat war er ab 1882 zweiundzwanzig Jahre für das Universitätsressort im preußischen Kultusministerium zuständig, erweiterte die Universität Berlin um über 40 Institute ("Bismarck des deutschen Universitätswesen”) und berief bedeutende Forscher wie Adolf von Harnack, Hermann Gunkel, Max Planck, Walther H. Nernst und Robert Koch. Nach Ende des Deutsch-Französischen Krieges war er 1871 an der Neugründung der Straßburger Universität beteiligt. Auf seinen Plänen fußt auch die spätere Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Ihm ist auch die Reformierung des Bibliothekswesen im Deutschen Reich zu verdanken.

Zurück zur Personenliste          

Berlin, Botanischer Garten Dahlem

Józef Klemens Pilsudski

Polnischer Politiker; Marschall von Polen (seit 1920); entstammte einer ursprünglich litauisch-polnischen Adelsfamilie. 1887 wurde er wegen angeblicher Beteiligung an einer Verschwörung zur Ermordung des Zaren Alexander III. von Rußland festgenommen und, obwohl er unschuldig war, für fünf Jahre nach Sibirien verbannt. 1893 war er Mitbegründer der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS), in der er eine führende Rolle spielte. Nachdem er im Jahre 1900 in Lodz verhaftet worden war, gelang es ihm, im Folgejahr 1901 zu fliehen und wirkte seit 1902 in Galizien. 1906 übernahm er die Führung der “revolutionären Fraktion” der PPS und bildete in Galizien ab 1908 zusammen mit K. Sosnkowski bewaffnete Verbände aus, die 1910 als “Schützenverband” auch offiziell anerkannt wurden. Als Kommandant des Verbandes genoß er, obwohl in militärischen Angelegenheit ein Autodidakt, bei den Schützen absolute Autorität. Mit ihnen kämpfte er Im Ersten Weltkrieg auf Seiten der Mittelmächte gegen Rußland mit dem Ziel der Wiedererrichtung eines unabhängigen polnischen Staates. Gleich zu Beginn des Krieges rückte er in Russisch-Polen ein, fand dort jedoch wider Erwarten keine Unterstützung seitens der Bevölkerung. Im November 1916 proklamierten die Mittelmächte das Königreich Polen und setzten einen Staatsrat ein, dem auch Pilsudski angehörte. Da er sich jedoch weigerte, seine Truppen im Kampf gegen die Alliierten den Mittelmächten zu unterstellen und er außerdem eine unabhängige polnische Regierung forderte, wurde er 1917 von den Deutschen verhaftet und in Magdeburg inhaftiert. Nach seiner Freilassung kehrte er am 11.11.1918 als Volksheld nach Polen zurück, wurde zum Oberbefehlshaber der polnischen Armee ernannt und übernahm wenig später als Staatschef auch die politische Macht in der neuen Republik Polen. Die Schwäche des russischen Reichs nach dem Frieden von Brest ausnutzend, rückte er zwar bis Kiew vor und konnte den massiven Gegenschlag der Bolschewiki im Sommer 1920 vor Warschau jedoch gerade noch aufhalten (“das Wunder an der Weichsel”). Als Ergebnis des 1921 geschlossenen Friedens von Riga wurde die polnische Ostgrenze um etwa 250  Kilometer nach Osten verschoben. Im Dezember 1922 verzichtete Pilsudski unter der neuen, demokratischen Verfassung auf die Kandidatur für das Präsidentenamt und trat wenig später auch von seinem Amt als Generalstabschef zurück, behielt jedoch Einfluß auf das Militär. Er schreckte auch nicht von Verletzungen der Verfassung zurück: im Mai 1926 führte er aus Enttäuschung über das parlamentarische System einen Staatsstreich durch, stürzte den amtierenden Staatspräsidenten Stanislaw Wojciechowski und errichtete ein autoritäres Regime. Nun formal Kriegsminister und Oberbefehlshaber der Truppen (1926-35) und nur für kurze Zeit offiziell auch Ministerpräsident (1926-28 und 1930), war er bis zu seinem Tod der starke Mann in Polen, der sogar 1933 einen Präventivkrieg gegen Deutschland in Erwägung zog; aufgrund der Verweigerung Frankreichs, näherte er sich Deutschland an und schloß 1934 einen Nichtangriffspakt mit Hitler. Kurz vor seinem Tod konnte er eine neue, autoritäre Verfassung, die sogenannte “Aprilverfassung”, durchsetzen.

Zurück zur Personenliste          

Bild: Jan Koch (2005)
Wohnhaus Titos

Josip Tito eigentl. Josip Broz

 (während des Kriege           s) no_copyright

 

Jugoslawischer Politiker und Marschall; der Sohn einer slowenischen Mutter und eines kroatischen Vaters und gelernte Mechaniker, schloß sich, als er als Soldat der österreichisch-ungarischen Armee in russische Gefangenschaft geriet, 1918 der Roten Armee an. Nachdem er 1920 nach Kroatien zurückgekehrt war, beteiligte er sich am Aufbau der KP und wurde nach deren Verbot (1921) mehrfach inhaftiert, u.a. von 1928 bis 1934. Als Mitglied des Zentralkomitees, des Politbüros der KP und jugoslawischer Sektionsleiter der Komintern agitierte er u.a. unter dem Tarnnamen “Tito” aus dem Untergrund heraus. Nach seiner Ernennung im Jahre 1937 zum Generalsekretär der jugoslawischen KP durch die Komintern - die Bestätigung durch eine Wahl fand erst 1940 statt -, organisierte er die illegalen Kader und übertrug jungen Parteiaktivisten Führungsaufgaben. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 organisierte er auch in seiner Heimat den Widerstand gegen die deutschen und italienischen Besatzungskräfte und konnte 1944 die Befreiung Jugoslawiens erreichen. Obwohl die zunächst auch aus bürgerlichen Exilkräften gebildete Regierung eine gemäßigte Staatsführung anstrebte, setzte Tito seinen Kurs auf einen sozialistischen Staates gezielten Aufbau fort, bis schließlich im November 1945 das Land in die “Föderative Volksrepublik Jugoslawien” unter einem Ministerpräsident Tito umgewandelt wurde. Zunächst ein getreuer Vasall Stalins, kam es 1948 zum Bruch mit der Sowjetunion, um einen eigenständigen politischen und wirtschaftlichen Kurs einschlagen zu können (“eigener Weg zum Sozialismus”). Der jugoslawischen KP wurde seitens Stalin vorgeworfen, sie weiche vom stalinistischen Kurs ab und verfolge einen trotzkistischen Kurs. Nach Stalins Tod (1953) kam es 1955 unter Nikita Chruschtschow zu einem Verständigung mit der Sowjetunion, obwohl deren Führung politische Auswirkungen auf die anderen Staaten in ihrer Einflußsphäre befürchteten. Zwar unterstützte Jugoslawien die sowjetische Entspannungspolitik, protestierte jedoch scharf gegen das Eingreifen der Sowjetunion bei Aufstand in Ungarn (1956), gegen den Einmarsch von Truppen des Ostblocks in die Tschechoslowakei (1968), der dem Prager Frühling und dessen Protagonisten Alexander Dubcek ein Ende setzte, und in Afghanistan (1979). Titos Verhalten gegenüber dem “großen Bruder” Sowjetunion beeinflußte auch die politische Entwicklung in China (Mao Tsedong war sowieso kein Freund Stalins, der ihn abschätzig behandelt hatte), im Nachbarstaat Albanien und nicht zuletzt die Haltung der westeuropäischen Kommunisten gegenüber der Sowjetunion. Alle Versuche Titos, die ethnischen Vielfalt des Balkanstaates innerhalb Jugoslawiens zu einer staatlichen Einheit in Jugoslawien zusammenzuschweißen, scheiterten nach seinem Tode.

Zurück zur Personenliste           

Mausoleum Titos
Bilder: Uwe Geisel (2005)

Belgrad, Regierungsviertel, Haus der Blumen (Kuca Cveca)

Krakau, Schloß-(Dom-)Kirche auf dem Wawel

Wien, Zentralfriedhof, Präsidentengruft

Bild: Mariusz Pazdziora

Vilnius, Rasu/Rossa Friedhof

Hinweis: Pilsudskis Herz wurde im Grab seiner Mutter beigesetzt. Die polnische Inschrift auf dem Grabstein lautet: Matka i serce syna (Mutter und Herz des Sohnes).

Zoran Đinđić (Djindic)

 Franz. Außenministerium, Abtl. Fotografien

Serbischer Politiker und Philosoph; verließ seine Heimat und studierte in Frankfurt am Main und Konstanz Philosophie, nachdem er in seiner Heimat in den 1970er Jahren mehrere Monate wegen der Gründung einer antikommunistischen Studentenbewegung in den 1970er Jahren für mehrere Monate inhaftiert worden war und erst 1979 nach Serbien zurückkehren und dort als Hochschullehrer arbeiten konnte. 1990 war er einer der Begründer der DS, der “Demokratischen Partei” (Demokratska Stranka) und ab 1994 deren Parteivorsitzender. 1997 wurde er der erste nicht-kommunistische Bürgermeister von Belgrad und organisierte erfolgreich einen Zusammenschluß der Oppositionsparteien zur DOS (Demokratische Opposition Serbiens), der es Anfang Oktober 2000 in einer friedlichen Revolution gelang, Milosevic zu stürzen. In der Folge der Umwälzungen im ehemaligen Jugoslawien wurde er im Januar 2001 erster nicht-kommunistischer Ministerpräsident Serbiens und versuchte, die wirtschaftliche Reform und die Demokratisierung des Staates herbeizuführen. Als er im April 2001 Milosevic festnehmen und anschließend an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellen ließ, geriet er - zugleich auch wegen des hohen Tempos der reformerischen Umwälzungen - zunehmend in das Kreuzfeuer der Kritik. Diese Entwicklung führte schließlich zu einem Attentat, an dessen Folgen verstarb.

Zurück zur Personenliste         

Bilder: Jelena Krneta

Belgrad, Zentralfriedhof

Hinrich Wilhelm Kopf

 

 

Deutscher Politiker (SPD); studierte Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten von Marburg und Göttingen, war von 1919 bis 1920 persönlicher Referent des Reichsministers Dr. David und Regierungsrat, bevor er in der Inflationszeit aus dem preußischen und thüringischen Landtag ausschied.

1928 wurde er Landrat in seinem Heimatkreis, 1933 jedoch von den Nationalsozialisten aus seinen Ämtern entlassen, so daß er bis Kriegsende als Kaufmann und Landwirt arbeiten mußte. Am 1.5.1945 wurde er Regierungspräsident von Hannover, am 18.9.1945 Oberpräsident von Hannover, am 23.8.1946 erster Ministerpräsident des Landes Hannover und nach dessen Gründung Ministerpräsident des Landes Niedersachsen bis Dezember 1961. Außerdem war der bei Volk beliebte Kopf Innenminister des Landes Niedersachsen von Juni 1947 bis Juni 1948 und erneut von November 1957 bis Mai 1959.

Zurück zur Personenliste           

Hannover, Stöckener Friedhof

Bilder: Claus Harmsen (2006, stones & art)
berlinguer_gb

Enrico Berlinguer

 

Italienischer Politiker; Sohn des späteren Senators Mario Berlinguer; trat 1943 dem 1921 gegründeten Partito Communista Italiana (PCI) bei, wurde bald dessen Sekretär in der Sektion Sassari und nahm am antifaschistischen Widerstandskampf teil. Die Teilnahme an einem Aufstand in seiner Heimatstadt Sassari brachte ihm eine Haft ein, aus der er allerdings bereits nach drei Monaten wieder entlassen wurde. Ende 1944 wurde er auf Empfehlung Palmiro Togliattis Sekretär des Italienischen Kommunistischen Jugendverbandes FGCI. 1945 wurde er in Mailand als jüngstes Mitglied in das Zentralkomitee seiner Partei gewählt. Von 1949 bis 1956 war er Generalsekretär des FGCI und von 1950 bis 1953 außerdem Präsident des Weltbundes der Demokratischen Jugend, der internationalen marxistischen Jugendorganisation. Von 1962 bis 1966 leitete er das Sekretariat der PCI und wurde 1968 Mitglied des Politbüros und 1969 zum stellvertretenden Generalsekretär unter Luigi Longo gewählt. 1972 trat er dessen Nachfolge als Generalsekretär an. Als einer der Hauptvertreter des Eurokommunismus setzte er sich für die ideologische und politische Unabhängigkeit aller kommunistischer Parteien, vor allem gegenüber der KPdSU ein und befürwortete durch seine Politik des “historischen Kompromisses“ mit den Christdemokraten die Anpassung der kommunistischen Parteien in den westeuropäischen Staaten an die jeweils gegebenen Gesellschaftsstrukturen.

Zurück zur Personenliste                   

cc_somerightsreserved

Rom, Cimitero di Prima Porta

Bild: Phaerton1 (Wikipedia.de
Bild: Phaerton1 (Wikipedia.de

Heidelberg, Bergfriedhof

Adolfo Suárez González

copyright_green

Spanischer Politiker, Ministerpräsident; Sohn eines Rechtsanwaltes; studierte Rechtswissenschaft an den Universität Salamanca. Seit 1958 stieg er im Generalsekretariat des Movimiento Nacional auf, war ab 1961 Chef des technischen Kabinetts des Generalvizesekretariats, wurde 1967 für Ávila, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, Mitglied der franquistischen Cortes von Salamanca und Madrid, an der er promovierte. Als Mitglied von Francisco Francos Falange wurde er 1968 Gouverneur der Provinz Segovia (1968/69) und Generaldirektor des spanischen Fernsehens (1969-1973). Nach dem Todes des “Caudillo” wurde er am 3.7.1976 von König Juan Carlos I. zum spanischen Ministerpräsidenten ernannt, um das Land zu einer demokratischen, parlamentarischen Monarchie zu führen, ohne die mächtigen konservativen Fraktionen - insbesondere das Militär - in der Nation zu verärgern. Von Seiten der Linken und einigen Zentristen wurde er angesichts seiner frankoistischen Geschichte abgelehnt. Suárez aber überraschte viele Beobachter und politische Gegner und führte die politische Reform 1976 als ersten entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Demokratie ein (La Transición). Im selben Jahr gründete er seine eigene politische Partei, die Union des Demokratischen Zentrums (UDC) und gewann die erste freie Wahl 1977 und und die folgende im Jahre 1979.. Mit seiner Demokratisierung nach innen und der Öffnung des Landes nach außen überzeugte Suárez auch seine politischen Gegner, die ihn wegen seiner Vergangenheit kritisiert hatten. Nachdem die wichtigsten Schritte zur Wiedereinführung der Demokratie getan waren, löste die UCD sich jedoch in ihre Bestandteile auf. 1981 trat Suárez als Regierungschef zurück. 1982 gründete er seine eigene Partei, das Demokratisch-Soziale Zentrum (CDS); deren Vorsitzender er bis 1991 war, als er sich aus politischen und familiären Gründen aus der Politik zurückzog.

Inschrift: La concordia fue posible [Die Eintracht war möglich]

Zurück zur Personenliste                             

Bild:  pedroperezñu (03/2014) Wikipedia.es

Ávila, Kathedrale, Kreuzgang

Otto Joachim Graf af Moltke

Dänischer Staatsmann; einer der Söhne des Grafen Adam Gottlob von Moltke zu Bregentved und seiner Frau Sophie, née Sophie Hedewig von Raben, einer Tochter des Geheimen Rats Christian Frederik Raben. Graf Friedrich Ludwig von Moltke, der letzte Domdechant des Hochstifts Lübeck; wurde bereits als Kind 1776 Domherr des überwiegend protestantischen Lübecker Domkapitels. Nach Beendigung seines Studiums der Rechtswissenschaften 1788 ging er nach Frankreich, wo er den Ausbruch der Französischen Revolution erlebte. Zurück in Dänemark, trat er in den dänisch-norwegischen Verwaltungsdienst ein und wurde 1798 Amtmann im norwegischen Amt Bratsberg (heute Provinz Telemark). 1800 wurde er Stiftsamtmann in Kristiansand und Amtmann im Amt Nedenes (heute Aust-Agder). 1804 kehrte er dann nach Dänemark zurück und war dort Direktor der dänischen Rentkammer bis 1813 und danach Präsident der schlewig-holsteinisch-lauenburgischen Kanzlei in Kopenhagen. Aus dieser Schlüsselposition heraus stieg er 1824 zum dänischen Geheimen Staatsminister auf und blieb bis 1842 Regierungschef Dänemarks (Ministerpräsident).

Zurück zur Personenliste                 btn_up            

Bilder: Finn Larsen (12/2019)

Slagelse Kommune ( Reg. Sjælland) OT Boeslunde Sogn, .Kirkegård

“Marie” Maria Johanna Baum

 

Deutsche Sozialpolitikerin; drittes von sechs Kindern des Chefarztes des Städtischen Krankenhauses in Danzig; Enkelin mütterlicherseits von Peter Gustav Lejeune Dirichlet sowie dessen Ehefrau Rebecka (Henriette) Dirichlet, eine Schwester Fanny Hensels und Felix Mendelssohn Bartholdys sowie Enkelin von Moses Mendelsohn. Nach dem Abitur ging sie, da Frauen damals noch nicht an deutschen Universitäten akademische Abschlüsse erwerben konnten, an die ETH Zürich, um dort Chemie zu studieren. Während ihres Zürcher Aufenthaltes lernte sie u.a. Frieda Duensing, Käthe Kollwitz und Ricarda Huch kennen. In Berlin arbeitete sie kurzzeitig als Chemikerin in der Patentabteilung der Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrication (Agfa), die von ihrem Großcousin Paul Mendelssohn Bartholdy gegründet worden war. Im Jahre 1902 wurde sie auf Vorschlag der Nationalökonomin Else von Richthofen und durch Vermittlung von Alice Salomon Gewerbeinspektorin im Großherzogtum Baden, eine Funktion, in der sie auch die Arbeitsbedingungen in den Fabriken beaufsichtigen mußte, wobei sie unzumutbare Verhältnisse vorfand: Wie bereits ihre Mutter, Florentine (“Flora“) Baum, engagierte sich in der Frauenbewegung; sie leitete in Danzig den Verein Frauenwohl; so übernahm sie 1907 die Geschäftsführung des von Arthur Schlossmann gegründeten Vereins für Säuglingsfürsorge und Wohlfahrtspflege in Düsseldorf. 1909 wurde sie in den Hauptausschuß und in den Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge gewählt. Ferner wurde sie ab 1908 Mitglied des Vorstandes und des Präsidiums der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge. Gertrud Bäumer gebeten, in Personalunion die in Hamburg 1917 gegründete Soziale Frauenschule und Sozialpädagogisches Institut zu leiten. Sie unterrichtete Sozialpolitik, Volkswirtschaftslehre und war vor allem für die praktische Ausbildung der Seminaristinnen zuständig. Daneben arbeitete sie noch als Referentin für Wohlfahrtspflege im Badischen Ministerium. 1919/20 gehörte Marie Baum für die Deutsche Demokratische Partei der Weimarer Nationalversammlung an und 1921 für eine Legislaturperiode dem Reichstag. 1928 übernahm Marie Baum, die heute als Wegbereiterin der sozialen Arbeit gilt, einen Lehrauftrag für soziale Fragen an der Universität Heidelberg, der ihr nach der “Machtergreifung” der Nationalsozialisten 1933 entzogen wurde. Im September 1945 erhielt sie ihren Lehrauftrag am Institut für Staats- und Sozialwissenschaften zurück.

Zurück zur Personenliste                             

Politiker XXV

Omnibus salutem!